Gammelrochen, Polarlichter und Kanil snuðar – Winter auf Island

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Am 23.12 sind die Straßen in der Innenstadt überfüllt. Ein Hauch von Gammelrochen liegt in der Luft.

Island ist für seine Wasserfälle berühmt, für seine Landschaften, Trolle, Polarlichter und Wikinger. Wofür Island ganz bestimmt nicht berühmt ist, ist für seine Küche (abgesehen von Zimtschnecken). Der schlechte Ruf rührt sicherlich u.a. daher, dass sich hartnäckig das Gerücht hält,  Isländer würden vergammelten Fisch essen. Ich dachte ja, dass aus der Not heraus die Wikinger zu früheren Zeiten auch Gammelfisch gegessen haben, um nicht verhungern zu müssen, inzwischen aber die Essgewohnten ein wenig konventioneller geworden sind. Denkste. In Island wird am 23.12. traditionell Kaest Skata gegessen, klingt unverdächtig, ist aber fermentierter Fisch, also  Gammelrochen. Der Rochen, genauso wie der Eishai, scheidet den Urin nicht über die Blase, sondern über die Haut aus. Sprich‘ – das Fleisch ist giftig und schmeckt grauenhaft. Lässt man nun den Rochen oder den Hai vergammeln (4 Wochen Minimum), ist er zwar nicht mehr giftig, stinkt und schmeckt aber immer noch grauenhaft. Nach dem Gammelprozess wird der Rochen  enthäutet und gekocht. Dabei wird ziemlich viel Ammoniak freigesetzt, was wiederum grauenhaft stinkt. Ammoniak scheint der Isländer kaum mehr wahrzunehmen – die heißen Quellen und sogar das Wasser aus dem Wasserhahn riechen und schmecken schließlich auch nach faulen Eiern. Der Rochenbrei wird nun nur noch mit etwas Salz gewürzt und im Freien mit Schnaps kombiniert genossen. Ein bisschen verweichlicht sind die Isländer inzwischen schon, denn der Rochen wird nur noch am 23.12. gegessen, dafür aber von über 40 % der Bevölkerung.  In Reykjavik ist  am 23.12.  (Þorláksmessadie ganze Stadt auf den Beinen, um sich dem schönen Brauch des Fischessens mit Freunden hinzugeben. Der Tag ist übrigens dem Bischof Torlak gewidmet, der im 12. Jahrhundert die Isländer zu christianisieren versucht hat , am 23.12. verschieden ist und 1984 von Johannes Paul  II als Schutzheiliger Islands bestätigt wurde.

DSCF0508Heilig gesprochen hat man ihn nicht, dazu fehlten wohl überzeugende Wunder.  Warum man am Gedenktag eines Schutzheiligen grauenhaft stinkenden Fisch isst und die Wohnung blitzblank aufräumt, konnte ich leider nicht rausfinden.

Verwegen und mutig, die eigenen Grenzen aber immer im Blick, haben wir auf den Rochen verzichtet und sind am 23.12. auf ein kleines Restaurant in der Stadtmitte ausgewichen. Das Glo gibt es in und um Reykjavik 3 x, das Essen schmeckt ausgezeichnet und bezahlbar ist es obendrein.

Das heimliche Wahrzeichen von Reykjavik ist die evangelisch-lutherische Kirche Hallgrímskirkja, die besonders nachts ausgesprochen schön aussieht. Mit dem Schutzheiligen hat sie allerdings nichts zu tun.

Ein anderes islandspezifisches Weihnachtsvolk sind die Yule Lads, auch Weihnachtstrolle oder Jólasveinar genannt.

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Mit Mutter Gryla ist nicht zu spaßen.

Die 13 Trolle leben mit ihrer Mutter, ihrem Vater und einer gruseligen Katze in einer Höhle im Hochland,  dürfen aber einmal im Jahr ab dem 12. Dezember einer nach dem anderen zu den Menschen. Nicht alle gleichzeitig, um Chaos zu vermeiden. Nach Weihnachten verschwindet wieder einer nach dem anderen, bis an Dreikönig wieder alle weg sind. Ursprünglich waren die Trolle keine Sympathieträger, sondern stahlen den Menschen das Essen und lärmten. Gryla, die Mutter des Clans, aß  freche Kinder auf, die Katze Jólakötturinn  Menschen, die bis Weihnachten die Wolle des Herbsts noch nicht komplett gesponnen hatten. Wer fleißig war, bekam etwas zum Anziehen – immerhin. Im Zuge der Kommerzialisierung bringen die Weihnachtstrolle heutzutage auch Geschenke und tragen schöne rote Mäntel. Aufgegessen wird niemand mehr.

Eine Besonderheit im isländischen Lebensmittelregal ist Skyr. Skyr ist irgend etwas zwischen Quark und Dickmilch, hat aber eine andere Konsistenz. Joghurt ist auf Island sehr flüssig, Skyr hingegen erinnert an Joghurt, wie er bei uns verkauft wird. Hergestellt wird Skyr aus entrahmter Milch und Lab. Der Fettgehalt liegt bei 0,1 – 0,5 %,  der Proteingehalt bei 11 %. DSCF1241Warum es bei uns Skyr nicht gibt, ist mir völlig unverständlich. Mit Blaubeeren oder Roter Grütze schmeckt Skyr sensationell. Die Schweizer sind hier den Deutschen voraus  – kürzlich habe ich nämlich gelesen, dass Skyr in der Schweiz vereinzelt angeboten wird.

Blaubeeren sind auf Island im Sommer an jeder Ecke zu finden und dürfen auch ungehemmt gepflügt werden. Aus den Blaubeeren haben wir bei unserem Sommeraufenthalt flugs einen Wikingerbecher gemacht.

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Wikingerbecher aus selbstgepflückten Blaubeeren.

Diesmal waren wir aber nicht immer Sommer da, sondern im Winter und da lagen die Blaubeeren unter einer dicken Schneedecke.

In Island ist es im Winter ziemlich häufig dunkel, was angesichts der Polarnähe nicht überrascht, sich aber dann doch seltsam anfühlt. Dunkel muss es aber sein, um Polarlichter sehen zu können, und die Polarlichter waren ein Grund, warum wir nach Island gefahren sind. Es jetzt klingt jetzt ein wenig kitschig, aber pünktlich am Weihnachtsabend waren sie zu sehen, die Nordlichter. Anfangs sah es aus, als hätten sich milchige Wolkenfetzen mit Lichteinstrahlung in eine unbewohnte Gegend verirrt, schließlich aber wurde uns klar, dass es tatsächlich Polarlichter waren, was da über den Himmel raste. Das Spektakel dauert einige Stunden und war wie aus einer anderen Welt. Darauf hatte mich Raumschiff Enterprise definitiv nicht vorbereitet.

Wäre ich vor 300 Jahren Wikinger gewesen, ich hätte mich zu Tode gefürchtet. Auch wenn es immer noch recht gespenstisch wirkt, so kann man sich heutzutage über einen Aurora Forecast genau anzeigen lassen, wann und wo sich die nächtliche Suche lohnt. Eine zweite, ausgesprochen hilfreiche Website ist die von Vegagerdin mit topaktuellen Straßenzustandsmeldungen, deren Deutung ein wenig Übung verlangt. Slippery heißt nicht, wie bei uns, dass es ein wenig rutschig ist, sondern dass es sich um eine geschlossene Eisdecke handelt. Am ersten Tag war mein Vertrauen in Spikes an den Autoreifen noch wenig ausgeprägt, sodass der Adrenalin-Ausschuss nach 120 km Slippery durchaus bemerkenswert war. Nach 2 Tagen war das große Problem nicht mehr das Eis auf den Straßen, sondern das Eis auf den Wegen und Parkplätzen. Solange man im Auto saß, war alles unter Kontrolle, außerhalb des Autos ging es nur noch mit Spikes an den Schuhen voran. Mindestens genauso sehenswert wie die Wasserfälle selbst waren die Touristen, die versuchten, ohne Spikes zu den Wasserfällen zu gelangen. Es war wirklich slippery.

Die Wasserfälle sind im Winter ganz anders als im Sommer. Ich finde sie sogar noch einmal deutlich schöner. Schaut selbst.

 

Das erste Wort, das ich auf isländisch konnte, war Kanil snuðar. Ein paar mehr sind es zwar inzwischen geworden, die Kanil snuðar ist aber immer noch mein Lieblingswort. Vielleicht gefällt mir das Wort auch deshalb  so gut, weil es das Zauberwort ist, um großartige Zimtschnecken in der Bakarí zu bekommen.

Kanil snuðar – Zimtschnecken

Zutaten:

700 g backstarkes Mehl (Typ 550)
50 g Kartoffelmehl
100 g Zucker
1 Würfel Hefe (42 g)
150 ml warmes Wasser
250 g Joghurt
1 Ei (M)
1 Prise Salz
1 TL gemahlener Kardamom
100 ml Distelöl

Füllung:
2 EL Zuckerrübensirup
50 g Butter
1 EL Zimt
2 EL Vollrohrzucker
1 Eigelb
2 EL Sahne
Hagelzucker zum Bestreuen

Das Mehl mit dem Kartoffelmehl und dem Zucker in einer Schüssel vermengen. Die Hefe mit etwas warmen Wasser verrühren. In das Mehl eine kleine Mulde drücken und die Hefe hineingießen. Den Topf abdecken und an einem warmen Ort 15 Minuten gehen lassen. _DSC0039Die restlichen Zutaten hinzugeben und mit dem Knethaken zu einem Teig verkneten. Den Teig wieder abdecken und 1 Stunde gehen lassen.

Der gegangene Teig wir nun zu einer rechteckigen Platte ausgerollt.

Den Zuckerrübensirup mit der Butter in ein hitzebeständiges Gefäß geben und im Ofen, der sowieso schon am Vorheizen ist, schmelzen lassen. Die geschmolzene Butter mit Zimt und Vollrohrzucker vermengen. Die Füllung auf den ausgerollten Teig geben und verstreichen. Den Teig an der längeren Seite aufrollen und ca. 2 cm dicke Scheiben abschneiden. Die Scheiben auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen.  Das Eigelb mit der Sahne verquirlen und die Schnecken damit bestreichen. Mit Hagelzucker bestreuen und weitere 20 Minuten gehen lassen._DSC0043

Die Schnecken im vorheizten Backrohr bei 175 Grad ca. 20 Minuten backen.

Auf Island gibt es die Kanil snuðar auch mit Schokoguss, Zuckerguss – ja eigentlich mit allem begossen, was so richtig süß ist. Die Schweden haben der Zimtschnecke (Kanelbullar) sogar einen eigenen Tag gewidmet – der 4. Oktober ist dort der Tag der Zimtschnecke, der Kanelbullens Dag.

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